WENN AUS BURNOUT DEPRESSION WIRD – WEGE ZUR GENESUNG
Wie nahe ist das Burnout-Syndrom der Depression? Welche Behandlungsansätze gibt es? Und wie können Menschen nach einem Burnout ihren Platz in der Arbeitswelt wiederfinden? Diese und andere Fragen standen im Zentrum des diesjährigen Aadorfer Fachforum Psychotherapie in Zürich.
Aufgrund der Corona-Pandemie fiel das Aadorfer Fachforum Psychotherapie im Jahr 2020 aus, letztes Jahr fand es immerhin als Live-Webinar statt. In diesem Jahr durften sich die Teilnehmenden wieder über eine physische Zusammenkunft freuen. Im Bildungszentrum Sihlpost beim Zürcher Hauptbahnhof trafen sich Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen der Psychotherapie und Psychiatrie zum engagierten Austausch.
Burnout und Depression:
Charakteristika und Zusammenhänge
Einleitend skizzierte Dr. med. Roland Kowalewski, Chefarzt und stellvertretender Ärztlicher Direktor der Privatklinik Aadorf, Überschneidungen, aber auch klare Unterschiede zwischen Burnout und Depression. Beide Störungsbilder sind für Betroffene wie auch gesellschaftlich hoch bedeutsam, die Depression umfasst jedoch mehr Symptom- und Lebensbereiche, sodass Burnout-Kriterien formal erfüllt sein können, ohne dass im eigentlichen Sinne ein Burnout vorliegt. Diese Differenzierung kann für die Behandlung bedeutsam sein und ergibt sich in der Regel aus der Krankheitsentwicklung.
Dr. med. Christian Imboden, Ärztlicher Direktor der Privatklinik Wyss, gab in seiner umfassenden Übersicht zum Stellenwert des Burnout-Syndroms in Diagnostik und Therapie weiteren Aufschluss und ging auch genauer auf die Depression ein. Burnout gilt zwar nicht als eigentliche Krankheit, kann aber in eine Depression übergehen und in gewissem Sinne auch als Unterform angesehen werden.
Spezifisch bleibt der Bezug zur Arbeitssituation, sodass Stressreduktion und -resistenz in der Behandlung eine tragende Rolle spielen: Anforderungen und Ressourcen müssen in ein verträgliches Verhältnis gebracht, typisch ungesunde Faktoren reduziert werden. Die Behandlung der Depression ist breit erforscht und ausgearbeitet, die Kombination psycho- und pharmakotherapeutischer Ansätze besonders erfolgversprechend.
In der spezifischen Burnout-Behandlung haben körperliche Aktivitäten, Achtsamkeit und Spannungsreduktion einen besonderen Stellenwert. Psychotherapeutisch geht es nicht selten um dysfunktionale Einstellungen, wie zum Beispiel eine einseitige Leistungsorientierung, durchaus auch im Sinne einer existenziellen Reflexion: Was ist stimmig, was soll im Leben zählen?
Der Begriff Burnout ist deutlich weniger stigmatisiert als die Depression oder andere psychische Erkrankungen. Burnout – assoziiert mit Leistung und beruflicher Verausgabung – gilt als akzeptierter Ausstieg aus der Stressspirale. Demgegenüber wird die Depression eher auch als emotionale Schwäche und Ausdruck von Labilität wahrgenommen.
Bei beiden Störungen zeigt sich nach klinischer Remission häufig noch eine verringerte psychophysische Belastbarkeit – dann sollte der berufliche Wiedereinstieg behutsam erfolgen.
Unter dem Titel «Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen bei psychischer Belastung» zeigte Prof. Dr. med. Wolfram Kawohl, Ärztlicher Direktor der Clienia Schlössli, zunächst auf, wie zentral die Arbeit – als sinnstiftender, sozialer Takt- und Rollengeber – auf die Lebenszufriedenheit wirkt. Auch darum bedarf es nach einer psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit oft der gezielten Unterstützung. Hier galt lange das Motto «First train, then place», was zunächst schonend wirkt, die Rehabilitation und den Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt aber praxisfern voneinander trennt. Eine Umkehr hin zu «First place, then train» im Sinne eines «Individual Placement and Support» (IPS) scheint erfolgversprechender. Nach Wiedererlangung einer gewissen Arbeitsfähigkeit wird direkt der berufliche Einstieg realisiert und durch einen Jobcoach individuell unterstützt. Allerdings sind dessen Qualifikation und Aufgaben nicht eindeutig definiert, und in vielen Fällen bleibt eine solche Begleitung zumindest mittelfristig nötig, um den Erfolg aufrechtzuerhalten.
Schliesslich spielt auch der «Job-Person- Fit» eine entscheidende Rolle: Je mehr individuelle Neigungen, Stärken und Schwächen zu den beruflichen Anforderungen und der erhaltenen Anerkennung passen, umso mehr lassen sich Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit bei der Arbeit aufrechterhalten.
Wertvoller Austausch in Workshops
Das Aadorfer Fachforum Psychotherapie legt Wert auf Austausch, Networking und Wissensvermittlung. In den anschliessenden Workshops konnten die Teilnehmenden interaktiv Themen vertiefen:
- Dr. med. Dr. rer. nat. Steffen Stoewer zeigte die Chancen und Risiken des Einsatzes von «Mikronährstoffen in der Behandlung von Burnout und Depressionen » anhand der aktuellen Studienlage auf und leitete Vorschläge für die praktische Umsetzung ab.
- Burnout und Depression bei Ärztinnen und Ärzten» sind eindeutig gehäuft. Dr. med. Roland Kowalewski vertiefte die Fragen: Was ist da los? Was ist daraus abzuleiten?
- «Gestalterische Ansätze in der therapeutischen Arbeit» wurden von Susanne Lüscher, Tina Schalow und Esther Zulauf umrissen und in praktischen Übungen demonstriert und erlebbar gemacht.
- Unter dem Titel «Wenn Trauer krank macht» ging lic. phil. Milena Mrdenovic auch anhand einer Fallvignette auf die vielschichtige «Trauerarbeit» und die neu im ICD-11 verankerte «anhaltende Trauerstörung» ein.
Aus Sicht der Veranstalter hat sich klar bestätigt, wie ungleich lebendiger und interaktiver eine Präsenzveranstaltung einschliesslich Apéro im Vergleich zu einem rein virtuellen Meeting ist. Und so freuen wir uns auf das Fachforum im kommenden Jahr – bei welchem voraussichtlich das Thema Essstörungen im Zentrum stehen wird.
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